Am 16. Juli 2016 wurde in Wien-Hütteldorf das Allianz Stadion eröffnet. Die neue Heimstätte des österreichischen Fußball-Rekordmeisters SK Rapid wurde mit einem umfassenden DigitalSignage-System ausgestattet, dessen Dreh- und Angelpunkt für die Signalverteilung eine modular bestiickbare AV-Matrix von Lindy ist.
In Fußballstadien tragen Business-Bereiche maßgeblich zur Finanzierung der Klubs bei: In exklusiver Atmosphäre werden in Logen und Hospitality-Areas Gespräche über Fußball sowie Geschäftliches und Privates geführt, wobei das parallel auf dem Rasen stattfindende Spiel nicht selten zur emotional besetzten Kulisse gerät und lediglich beiläufig über die allerorts installierten Bildschirme verfolgt wird. Letztere sind oft Teil eines Digital-Signage-Systems – so auch in den großzügig dimensionierten VIP-Arealen des neuen Wiener Allianz Stadions. Dort ist eine modular bestückbare AV-Matrix von Lindy Dreh- und Angelpunkt der Signalverteilung.
Eine architektonische Besonderheit ist die so genannte „Röhre“: Auf der Westseite des Allianz Stadions prägt das von Dipl.-Ing. Guido Pfaffhausen (Architektur Concept Pfaffhausen + Staudte GbR) entworfene „liegende Hochhaus“ das äußere Erscheinungsbild der Sportstätte. Auf der zur Keißlergasse weisenden Glasfront der „Röhre“ prangt in riesigen roten Lettern der Schriftzug RAPID. Die architektonische Formgebung ist dem mit drei Sternen nebst Lorbeerkranz bewehrten Wappen des SK Rapid nachempfunden – VIP-Gäste schreiten bei einem Besuch sozusagen durch das Vereinsemblem in das Stadion.
In der „Röhre“ ist eine Vielzahl von Räumen unterschiedlicher Größe und Funktion untergebracht. Zum Angebot gehören zwei in Relation zur Dimension des Stadions überraschend weitläufige Hospitality/VIP-Bereiche, in denen bei Veranstaltungen bis zu 2.000 Personen Platz finden. Der Zugang zu diesen als Event-Logen bezeichneten Flächen wird über das Sales-Team des „SK Rapid Business Club“ vermarktet: Der Club hilft seinen Mitgliedern, ihr Business im Umfeld des Stadions mit Emotionen zu verquicken und neue Geschäftsbeziehungen anzubahnen sowie das eigene Image zu pflegen. Einzelne oder mehrere Event-Flächen lassen sich an Tagen ohne Fußballspiele für Anlässe wie Präsentationen, Seminare, Roadshows oder Pressekonferenzen mieten.
Für die technische Betreuung von Veranstaltungen auf den Event-Flächen ist die Habegger GmbH aus dem österreichischen Münchendorf zuständig. Habegger Austria bietet – gestützt auf die Muttergesellschaft in Zürich – als Dienstleistungsunternehmen ein breites Leistungsspektrum an, das sich von der Raumdesign-Inszenierung und die Erstellung von multimedialem Content über die klassischen Disziplinen der Veranstaltungstechnik bis zum Venue Service erstreckt.
Im Jahr 2015 hat Habegger Materialpool und Mitarbeiter der Multisound Veranstaltungstechnik GmbH sowie der MediaSolution Veranstaltungstechnik GmbH übernommen – die Firmen betreuten zuvor den SK Rapid im Gerhard-Hanappi-Stadion sowie während eines Intermezzos im Ernst-Happel-Stadion. Inzwischen ist Habegger technischer Partner für alle Veranstaltungen des SK Rapid vom überschaubaren Event mit nur wenigen Teilnehmern bis zur jährlichen Hauptversammlung. Anlässe wie beispielsweise die Rapid-Weihnachtsfeier, welche früher auswärts realisiert wurden, finden heute im neuen Allianz Stadion statt.
Manuel Khittl ist auf Seite von Habegger Projektleiter für das Allianz Stadion. Der erfahrene Technikspezialist ist seit einem Jahr in der neu errichteten Spielstätte tätig und sorgt an Match-Tagen gemeinsam mit sechs Kollegen für die reibungslose Funktion der Veranstaltungstechnik. Die Aufgaben sind vielfältig, da Entertainment nicht nur rund um den Platz, sondern auch in den VIP-Arealen der „Röhre“ stattfindet.
„Die beiden VIP-Großraumebenen können wir in bis zu fünf Räume unterteilen, welche sich separat multimedial bespielen lassen“, erläutert Manuel Khittl. In Ebene 1 (ca. 1.800 qm, bis 1.300 Gäste) können über Trennwände bis zu drei Räume eingerichtet werden, während sich Ebene 2 (ca. 1.000 qm, bis 700 Gäste) aufgrund der baulichen Gegebenheiten in maximal zwei Bereiche separieren lässt. Die beiden Event-Ebenen sind über einen großen Lichtschacht miteinander verbunden, an dessen unterem Ende sich in Ebene 1 eine Bühne befindet.
Die langgestreckte „Röhre“ wird quer bespielt, was bedeutet, dass nicht überall eine gute Sicht auf das Bühnenprogramm gewährleistet ist – insbesondere Ebene 2 ist hiervon betroffen. Abhilfe schaffen zahlreiche Displays, welche über die gesamte Fläche verteilt und an Decken- bzw. Wandhalterungen montiert sind. Bei Veranstaltungen ist ein Live-Bild zu sehen, das nach Wunsch durch vorbereitete Einspielungen (Image-Trailer, Werbung, Firmenlogos etc.) ergänzt werden kann. Die Displays stammen durchweg aus dem Portfolio von LG Electronics – das südkoreanische Unternehmen unterhält eine Kooperation mit dem SK Rapid.
Auf Ebene 1 sind im an die Bühne angrenzenden Bereich acht Bildschirme installiert, während für die beiden äußeren Areale jeweils 13 Screens vorgesehen sind. Blickfang ist eine aus 3 x 3 Displays zusammengesetzte Großbildwand, die auf einem Rollwagen montiert ist und meist den Bühnenhintergrund bildet. Ebene 2 ist mit Ausnahme der Display-Wall vergleichbar ausgestattet. Acht weitere Monitore sind nahe des Spielertunnels im Media Center befestigt, und in der mit Pokalen, Trophäen und einem Meisterteller geschmückten Stadiongastronomie („Rekordmeister Bar“) sind drei Bildschirme sowie ein Projektor installiert.
Zusammenfassend sind in der ersten Ebene 35 Ausspielpunkte zu versorgen, während auf Ebene 2 insgesamt 34 Senken angesteuert werden. Hinzu kommen wie bereits erwähnt acht Ausspielpunkte im Erdgeschoss (Medienzentrum) sowie vier weitere Ausgabepunkte in der Rekordmeister Bar auf der 3. Etage.
Ursprünglich waren die vorgenannten Bildschirme in ein IP-TV-System eingebunden, welches trotz einwandfreier Funktion beim Einsatz in den VIP-Großraumebenen einen entscheidenden Nachteil aufwies: Bei der Live-Übertragung von Bewegtbildern war verfahrensbedingt eine störende Zeitverzögerung von etwa zwei Sekunden zu verzeichnen, weshalb eine andere Lösung für die Ansteuerung der Displays ins Auge gefasst werden sollte.
„Bei Habegger haben wir nach einem technischen Ansatz gesucht, der ohne Delay auskommt und mit dem bei der Live-Übertragung von Bildsignalen eine lippensynchrone Darstellung möglich ist“, erklärt Manuel Khittl. „Darüber hinaus sollte die bestehende Netzwerkinfrastruktur auf Basis von Cat-Leitungen genutzt werden, um die Kosten für die Umrüstung nicht übermäßig in die Höhe zu treiben.“
Angesichts der Aufgabenstellung gerieten Lösungen von Lindy in das Blickfeld der verantwortlichen Techniker: „Lindy war uns bereits durch diverse praxisbewährte Adapter bekannt“, so Khittl. „Die seit einiger Zeit zum Programm des Herstellers gehörende Matrix-Serie ist uns nicht zuletzt durch ihr besonders attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis aufgefallen, und die Geräte bieten genau die Möglichkeiten, die wir benötigen.“ Laut Aussage von Manuel Khittl wurde zuvor noch nie eine Matrix von Lindy in einem der von seinem Arbeitgeber verantworteten Projekte eingesetzt, und der Projektleiter spricht daher von einer „Premiere“.
Dreh- und Angelpunkt bei der Verschaltung von AV-Signalen für die VIP-Großraumebenen im Wiener Allianz Stadion ist nach der erfolgreichen Umrüstung eine modular bestückbare Matrix (matrix.lindy.com) der LINDY-Elektronik GmbH. Verwendung findet eine 16×16-Ausführung, welche im 19“-Rack 3,5 Höheneinheiten in Anspruch nimmt. Die dunkle Frontplatte ist mit 24 weiß beschrifteten Tastern und einem gut ablesbaren LC-Display ausgestattet. Für Betriebssicherheit sorgen bei dem für den 24/7-Betrieb ausgelegten Gerät zwei Netzteile (Redundanz).
Die Ein- und Ausgänge befinden sich auf der Rückseite der Matrix und können je nach Bestückung unterschiedlich ausfallen: Lindy bietet diverse passende I/O-Module mit HDMI-, DVI-, VGA- und C6 HDBaseT-Anschlüssen an. Die Module können im laufenden Betrieb gewechselt werden („Hot-Swapping“). Die werkzeuglos mit zwei Rändelschrauben im Mainframe zu befestigenden Anschlussstreifen sind allesamt mit Schnittstellen des jeweils gleichen Typs ausgerüstet; gemischte Varianten sind derzeit nicht im Lindy Lieferprogramm zu finden. Dass künftig weitere I/O-Module hinzukommen, darf als gesichert gelten – ohne Frage würde sich eine Ausführung mit DisplayPort-Connections gut in die Serie einreihen, und dem Vernehmen nach arbeitet der Hersteller bereits intensiv an der Entwicklung weiterer Module.
Innerhalb der Matrix lassen sich sämtliche Signale auf digitaler Ebene frei verschalten – jenseits der bereits erwähnten Taster auf der Frontplatte ist im Lieferumfang eine geeignete IR-Fernbedienung enthalten, und eine Steuerung per Web-Interface oder via RS232 bzw. Telnet („Teletype Network“) ist ebenfalls möglich. Über die 16×16-Variante hinaus bietet der Hersteller auch 32×32- und 8×8-Versionen an.
Das Basisgehäuse verfügt bei der 16×16-Matrix über Einbauschächte für je zwei Ein- und zwei Ausgangsmodule, die ihrerseits jeweils acht Ports bereitstellen. Konkret bestückt ist die im Allianz Stadion zum Einsatz kommende Matrix mit zwei 8 Port HDMI 4K UHD Eingangsmodulen sowie zwei 8 Port HDMI 4K UHD Ausgangsmodulen. Die Eingangsmodule verfügen über acht HDMI Typ A-Buchsen und akzeptieren Bildsignale mit hoher Auflösung (4K @ 30Hz, sonst 480i bis 1.080p); die Videobandbreite beträgt 300 MHz / 10,2 Gbps. Audioseitig werden Stereosignale, LPCM 7.1 Ch, Dolby TrueHD, Dolby Digital Plus und DTS-HD Master Audio (32 bis 192 kHz Samplingrate) unterstützt. Die mögliche Kabellänge beziffert der Hersteller mit 15 Meter (bei Verwendung der Lindy CROMO Kabel oder höherwertiger Varianten). Bezüglich der Hardware-Ports und der technischen Parameter ist das HDMI-Ausgangsmodul vergleichbar zum Eingangsmodul ausgestattet.
Die Wege zwischen Quellen/Senken und der Matrix sind in einem Stadion lang, weshalb zur Signaldistribution Extender eingesetzt werden, die HDMI-Signale über Cat-Kabel transportieren. Tools der Wahl sind im konkreten Zusammenhang Lindy Transmitter (Umsetzung HDMI auf Cat an der Quelle) und Receiver (Umsetzung Cat auf HDMI an der Senke). Transmitter und Receiver können entweder 1:1 über ein RJ45-Kabel (Cat.5e/6) mit einer Länge von bis zu 120 Meter oder über ein Ethernet-Netzwerk mit bis zu drei Ebenen verbunden werden. Für den Betrieb der Geräte werden kompakte Universal-Steckernetzteile benötigt, die ebenso im Lieferumfang enthalten sind wie Kabel für IR-Fernbedienungen. Mit Abmessungen von 6,5 x 10 x 2,6 cm fallen Transmitter wie Receiver kompakt aus; das elektronische Innenleben wird durch solide Metallgehäuse geschützt.
„Als Test haben wir zunächst ein Lindy Zweierset aus Transmitter und Receiver ausprobiert, das bestens funktioniert hat“, berichtet Manuel Khittl über das HDCP-kompatible „HDMI over Ethernet Extender & Distribution System 1080p“. Ein Standalone-Receiver ist bei Lindy als Erweiterung unter der Artikelnummer 38129 verfügbar. Khittl weist darauf hin, dass sich für die Units IP-Adressen vergeben lassen und im Stadion über ein VLAN per Broadcast-Protokoll definierte Zonen und nicht nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen geschaffen werden konnten. Die Lindy Extender streamen in Echtzeit komprimierte (!) MJPEG-Bildsignale in 1.080p60-Auflösung bei einer Farbtiefe von 8 Bit; audioseitig wird Stereomaterial unterstützt.
Vor dem Einbau wurden die Lindy Produkte bei Habegger spielfertig konfiguriert, so dass es während der Installation lediglich galt, das richtige Gerät an der korrekten Stelle zu montieren und anschließend die Verbindung mit den bereits vorhandenen Cat-Kabeln herzustellen. Der Roll-out fand im November vergangenen Jahres statt, so dass das System bei der Ordentlichen Hauptversammlung des SK Rapid am 28.11.2016 bereits erfolgreich eingesetzt werden konnte.
Als Besonderheit sind die unmittelbar vor und hinter der Matrix zum Einsatz kommenden Lindy Extendermodule in zwei 19“-Rahmen untergebracht, welche mit PC-Lüftern gekühlt werden – eine von den Habegger-Technikern erdachte Lösung, um jeweils acht Units funktional und optisch aufgeräumt in einem 19“-Geräteschrank unterbringen zu können.
Die Signaldistribution gruppiert sich um von Habegger spezifizierte Hewlett-Packard Rackmount-Switches (HP 2530-24G). Da die einzelnen in der „Röhre“ verteilten Technikräume (zwei Serverräume pro VIP-Großraumebene) wegen der zu überbrückenden Distanzen mittels Glasfaser verbunden sind, mussten die zum Einsatz kommenden Switches zwingend eine LWL-Verkabelung unterstützen – im Fall der gewählten HP-Modelle ergänzen vier für Glasfasern geeignete SFP-Module die 24 vorhandenen RJ45-Buchsen.
Seit seiner Installation im September 2016 läuft das neue Digital-Signage-System für die VIP-Großraumebenen des Wiener Allianz Stadions ohne Unterbrechung, und Habegger Projektleiter Manuel Khittl äußert sich mehr als zufrieden: „Das System läuft absolut stabil, und im praktischen Einsatz sind bislang keine Probleme aufgetreten. Nur einmal ist der Strom im Haus ausgefallen, was die Matrix sowie alle anderen elektrischen Geräte kurzzeitig außer Betrieb gesetzt hat – nach einem Neustart hat jedoch alles sofort wieder funktioniert!“ Der Einsatz einer USV an der Matrix wird in Wien als nicht zwingend notwendig erachtet, da das System nicht im Zusammenhang mit einer im Notfall erforderlichen Evakuierung der Sportstätte genutzt wird und keine direkt sicherheitsrelevante Funktion besitzt.
Aktuell werden im Stadion bis zu zehn Quellensignale in die Matrix eingespeist; mit den Ausgangssignalen werden neun Zonen versorgt. „Das System ist derart ausgelegt, dass wir weitere Quellen und Senken einbinden können, sofern die Ansprüche der Stadionbetreiber in Zukunft steigen“, sagt Manuel Khittl. „Das ist der Grund, warum wir uns bei der Matrix direkt für die 16×16-Ausführung und nicht für das 8×8-Modell entschieden haben. Im Stadion wird beispielsweise das im Block West geplante Rapid-Dorf künftig wahrscheinlich durch eine zeitgemäße Netzwerkanbindung respektive die Lindy Matrix versorgt werden können.“
Fazit: Das Wiener Allianz Stadion scheint ein für seine konkreten Bedürfnisse perfekt passendes Digital-Signage-System zur Versorgung der Event-Areale gefunden zu haben, und in Anspielung auf die Leitfarbe des SK Rapid kann man sich ein – zugegebenermaßen recht naheliegendes – Wortspiel kaum verkneifen: Alles im grünen Bereich!