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Horizont: «Unser Team ist unschlagbar. Ein bunter Haufen von Talenten.»

Jürg Schwarz ist CEO der Habegger AG. Im Interview schildert er die Lage, in der sich die Veranstaltungsbranche, die Firma, die Mitarbeitenden und er selbst befinden und wie es weitergeht. Im März, praktisch zeitgleich mit der Ankündigung des Lockdowns durch den Bundesrat, wurde die Firma für ihre hervorragende Arbeitsplatzkultur ausgezeichnet. Habegger hat rasch auf die veränderten Kundenbedürfnisse reagiert und das digitale Angebot forciert.

 

Sie wurden eben von «Great Place To Work» für Ihre hervorragende Arbeitsplatzkultur ausgezeichnet. Was gab den Ausschlag?

Die umfangreiche Erhebung durch «Great Place to Work» hat gezeigt, dass wir für unsere Mitarbeitenden mehr sind als ein Arbeitgeber. Rund 94% von unseren Mitarbeitenden haben angegeben, dass sie stolz sind, bei uns zu arbeiten. Auch das Teamwork, das Vertrauen und dass man bei uns sich selbst sein kann, wurden hervorragend bewertet. Das erfüllt mich mit Stolz und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Welches ist der «Purpose» von Habegger? Sorry für die Frage. Aber es ist DAS Modewort der Stunde. Ich suche nach etwas, das Ihre Firma und ihre Menschen jenseits wirtschaftlicher Ziele antreibt. 

Unsere Vision spiegelt den Purpose wider und treibt uns an: «Setting Benchmarks in Live Communication. Because we love to inspire people.» Es sind nicht nur Zeilen, die auf einem Blatt Papier stehen. Sie ist wirklich der «Reason Why» unsere Mitarbeitenden gerne zur Arbeit kommen. Das ist mir sehr wichtig. Nur so können wir unsere Leidenschaft auch auf unsere Kunden übertragen und sie inspirieren. Die Vision gilt nicht nur gegen aussen, sondern dient intern als Orientierungspunkt, den wir täglich neu herausfordern. Unser Ziel ist es, neue Benchmarks zu setzen. Sei es in Kundenprojekten, in der internen Zusammenarbeit oder in der Optimierung der Organisation. Weiter leben wir unseren Claim: Cultivating Wow. Wir schaffen einzigartige Erlebnisse. Wir kultivieren diese von der kleinen Idee bis hin zum grossen Wow!

Es ist sicher ein Vorteil, jetzt in der Krise auf ein motiviertes Team zählen zu können. Wann wurde Ihnen klar, was auf Ihre Firma zukommen würde?

Ab Mitte Februar haben uns die ersten Absagen für Events erreicht. Es handelte sich um globale Konzerne, welche nicht mehr internationales Publikum einfliegen wollten. Zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits vermutet, dass wir eventuell mit weiteren vereinzelten Absagen rechnen müssen. Wir waren aber noch der Meinung, dass es nicht so schlimm werden würde.

Heute stehen wir bei 370 abgesagten Events, Messen und Kongressen, was rund 60% des Jahresumsatzes ausmacht. Dieser Teil des Umsatzes fällt komplett weg

Was geschah dann?

Mit dem Bundesratsentscheid über das Veranstaltungsverbot hat sich die Situation schlagartig geändert. Im Stundentakt erhielten wir Absagen. Wir haben mit allen Mitteln versucht, diese abzufedern. Wir begannen Formate umzuplanen und bessere Stornierungskonditionen anzubieten. Wir konnten die losgetretene Lawine aber nicht aufhalten. Heute stehen wir bei 370 abgesagten Events, Messen und Kongressen, was rund 60% des Jahresumsatzes ausmacht. Dieser Teil des Umsatzes fällt komplett weg. Bereits im Februar haben wir eine firmenübergreifende Taskforce und eine zentrale Anlaufstelle für alle Mitarbeitenden eingerichtet. Wir haben sofort einen Infokanal eingerichtet und wöchentlich via Stream das ganze Team über die Entwicklung und die Massnahmen informiert.

Wie haben Sie Ihr Team auf die neue Situation eingestellt?

Zu Beginn kam schon eine gewisse Schockstarre auf. Wie würde es nun weitergehen? Wir haben uns aber sehr rasch gefangen, denn wir wollten uns nicht mit Dingen aufhalten, die wir nicht ändern können. Wir haben beschlossen, nach vorne zu blicken. Wir haben uns folglich darauf konzentriert, wie wir die Bedürfnisse der Kunden trotzdem oder zumindest teilweise erfüllen können.

In ESB-Online haben sie einen Artikel mit dem Titel «Live geht digital» geschrieben. Sie schreiben darin, dass Sie den Turnaround von den grossen Bühnen in kleine digitale Abspielräume rasch eingeleitet haben. Was war dafür entscheidend? 

Wie bereits erwähnt, wollten wir den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern haben uns auf die positiven Aspekte konzentriert. Eine Krise bietet nämlich auch immer eine Chance. Sie treibt die Innovation an. So haben wir die Produkte und Dienstleistungen gepusht, an denen wir bereits seit längerem gearbeitet haben resp. schon lange anbieten, für die aber stets die Nachfrage gefehlt hatte. Einerseits vom physischen Erlebnis zum digitalen Erlebnis, andererseits vom temporären Erlebnis zur dauerhaften Erlebniswelt. Das heisst, wir bieten nun unseren Kunden digitale Events als Alternative an. Überdies ist der Bau und Ausbau von Visitorcenter und Brandworlds ein wichtiges Standbein von uns. Wir haben diesen Bereich vor Jahren aufgebaut. Die Anfragen haben nun, sicher auch als Folge des Veranstaltungsverbotes, stark zugenommen.

Woraus besteht Ihr Angebot jetzt?

Dieses ist sehr breit, wie es das schon immer war. Wir sind überzeugt, dass es für einen digitalen Event mehr benötigt als ein einfaches Streaming. Unser Ziel ist es, unseren Kunden auch bei virtuellen Formaten ein möglichst reales Live-Erlebnis bieten zu können. Auch hier steht die Inszenierung der Botschaft im Zentrum. Unsere Dienstleistungen reichen von der Kreation der Inhalte über das Projektmanagement bis hin zur technischen und baulichen Umsetzung. Wie bei einem physischen Event sind auch hier ein roter Faden, zielgruppengerechte Botschaften und qualitativ hochwertiger Inhalt entscheidend. Mittels Einbindung des Publikums ergeben sich interessante Interaktionsmöglichkeiten. Dialog statt Monolog, ansonsten schaltet das virtuelle Publikum ab. Auch setzen wir Elemente wie Augmented Reality ein, um eine überraschende Bildwelt zu erzeugen.

Welche Tools setzen Sie ein?

Wir verfolgen aktiv neue Trends, sei es für Kundenprojekte oder für das Unternehmen. Entscheidend ist beim Einsatz von neuen Tools immer auch die Schnittstellenanbindung. Nur so lässt es sich genug flexibel in die Zukunft gehen und erlaubt es uns, sich jeder Zeit weiter zu entwickeln. Wir haben Programmierer angestellt, welche unser Kernsystem weiterenwickeln und sicherstellen, dass die Anbindung der Tools funktioniert.

Welche Marketinginstrumente kommen zum Einsatz?

Neben den gängigen Marketinginstrumenten fokussieren wir uns insbesondere auf eine Kombination von digitalem Marketing und Live-Erlebnissen. Die Schaffung von Live- Erlebnissen ist unser Business, deshalb setzen wir dieses Know-how nachhaltig ein. Unsere Kunden tauchen an unseren physischen wie auch virtuellen Workshops in eine Erlebniswelt ein und sind aktiv ein Teil davon. Dasselbe gilt für die Think Tanks, in denen wir das Brainstormen zu Event machen. Darüber hinaus laden wir unsere Kunden regelmässig zu unseren Veranstaltungen ein oder organisieren Führungen in Visitor Centers. Dabei erleben sie die Emotionen und die Atmosphäre – das Wow – hautnah mit.

Welches ist, war das grösste Hindernis, jetzt, während der Transformation?

Die grössten Herausforderungen sehe ich in den finanziellen wie auch personellen Ressourcen.

Sie haben offenbar die Digitalisierung als treibende Zukunftskraft akzeptiert und das Unternehmen entsprechend ausgerichtet. Wie beurteilen Sie den digitalen Reifegrad Ihrer Mitbewerber? Der Branche insgesamt? 

Wir sind in alle in der Live-Kommunikation tätig. Das physische Live-Erlebnis steht für uns an oberster Stelle. Die aktuelle Situation erfordert von uns allen viel Mut und Flexibilität. Die Investition in digitale Alternativen sind für uns alle mit finanziellen Risiken verbunden. Dennoch gilt es den Wandel anzunehmen und diesen auch als Chance wahrzunehmen. Ich habe wahrgenommen, dass auf unserer Branche schon eine gewisse Zurückhaltung besteht sich in die neue Situation zu begeben. Nichtsdestotrotz freuen wir uns natürlich alle, wenn grosse Veranstaltungen wieder erlaubt sind. Diese werden zunächst aber auch unter Auflagen stattfinden und das müssen wir ernst nehmen.

Das physische Live-Erlebnis steht für uns an oberster Stelle. Die aktuelle Situation erfordert von uns allen viel Mut und Flexibilität.

Mit der Digitalisierung entstehen neue Berufsbilder. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden verändern sich. Sie sind seit bald 20 Jahren im Unternehmen. Andere Mitarbeitende vielleicht noch länger, vielleicht sind sie auch älter. Wie gehen Sie die Themen Weiterbildung und Umschulungen an. Ich denke an die Ü-50ziger. 

Ein guter Altersmix in der Belegschaft ist uns wichtig. Persönlich spielt mir das Alter einer Person aber keine Rolle. Für mich sind das Interesse an Neuem, die Veränderungsbereitschaft, die Teamfähigkeit und die Flexibilität zentraler. Wenn jemand diese Eigenschaften nicht hat, findet er oft auch nicht den Weg zu uns – unabhängig des Alters. Auch stellen wir auch immer wieder Personen mit Berufsbildern ein, die es bisher in der Firma nicht gab. Dies sorgt dafür, dass wir unser Know-how ausbauen können und immer am Puls der Zeit sind. Insgesamt bieten wir aktuell 40 verschiedene Berufsbilder an.

Die vielen Jahre bei Habegger, was hält Sie fest?

Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Gespräch mit Peter Habegger (Gründer der Firma), das ich vor 20 Jahren als Quereinsteiger hatte. Als er mir erzählte, was die Habegger AG und die Branche genau ausmacht, war ich fasziniert. Diese Faszination ist geblieben. Das Umfeld wurde professioneller und die Strahlkraft wurde noch grösser. Das wichtigste Element für mich sind die Menschen. Das Team wie auch die Kunden. Unser Team ist unschlagbar. Ich vergleiche es immer mit dem A-Team, der bekannten TV-Serie aus den 80er-Jahren. Ein bunter Haufen von Talenten, welche sich selber sein können, sich immer auf Augenhöhe begegnen, sich gegenseitig wertschätzen, für einander einstehen und gemeinsam unglaubliches erreichen. Dies sind wir auch nach 20 Jahren noch. Diesen Nährboden aufrecht zu erhalten und weiter zu fördern, sehe ich als meine Kernaufgabe. Darauf baut alles weitere auf.

Wieviel kommt nach Aufhebung der Versammlungsverbote zurück? Wagen Sie eine Prognose?

Ich denke, es kommt sehr viel zurück. Leider wird es aber so sein, dass die Branche stark verzögert profitieren wird. Nicht wie beim Coiffeur, wo unmittelbar nach der Aufhebung bereits wieder Haare geschnitten werden. Klar wird es erste Veranstaltungen geben, welche unmittelbar wieder stattfinden werden. Es wurden aber sehr viele Events bereits bis tief in den Herbst 2020 abgesagt. Einige wurden schon bis ins Frühjahr 2021 und wenige sogar auf Frühjahr 2022 verschoben, weil gewisse Konzerne nicht daran glauben, dass im Frühjahr 2021 bereits wieder interkontinental Publikum eingeflogen werden kann. Der Re-Start hängt also nicht nur mit der Aufhebung zusammen, sondern viel mehr auch mit dem benötigten Vorlauf der Veranstaltung und den firmenpolitischen internen Entscheidungen. Kurz: Die Auswirkungen des Coronavirus werden uns noch eine ganze Weile begleiten und vor grosse Herausforderungen stellen.

Wem möchten Sie danken? 

Meiner Familie, meinem Umfeld, meinem Team und allen Steakholdern, welche uns in der schwierigen Zeit unterstützten. Allen da draussen, welche sich unermüdlich für eine Verbesserung der Situation eingesetzt und bereits Unfassbares geleistet haben.

Wenn Sie zum Schluss als CEO eines Schweizer Unternehmens einen Wunsch an Ihr Land richtigen dürfen, welchen?

Lasst uns doch schauen, was wir haben, nicht, was wir nicht haben. Denn wir haben sehr viel im Vergleich zu Ländern, die nur ein paar 100 Kilometer von uns entfernt sind. Lasst die Kritik an Entscheidungen. Es wurden da und dort eventuell Fehlentscheidungen getroffen. Diese waren, wenn es den welche waren, zu diesem Zeitpunkt nicht besser möglich. Mein Appell: «Lasst uns zusammenstehen und gemeinsam die Zukunft anpacken.»

Ihr Wunsch an den Staat, die Schweiz?

Die Krise ist für unsere Branche noch nicht vorbei. Wir sind dringend auf die bereitgestellte und allenfalls noch auf weitere Hilfen angewiesen. Bitte fahrt nicht, wie schon passiert, die Hilfe herunter. Erhört unsere Verbände mit unseren Anliegen.

 

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