Physische Veranstaltungen dürfen nicht stattfinden, digitale hingegen schon. Die Regensdorfer Firma Habegger AG zeigt anhand von Webinars, wie das geht. Und demonstriert einmal mehr, dass die Pandemie erfinderisch macht.
Die Habegger AG hat letzte Woche im Studio 2 ihr zweites Webinar produziert. Foto: zvg
TEXT (RAMONA KOBE) – 26.02.2021
REGENSDORF. Corona hat die Eventbranche flach gelegt. Und tut dies noch immer. Seit rund einem Jahr sind Grossveranstaltungen mit Zuschauern grösstenteils untersagt. Dabei sollte gerade das Sportjahr 2020 riesig werden. Schon bald aber war bekannt, dass die Fussball-Europameisterschaft ebenso wie die Olympischen Sommerspiele in Tokio nicht stattfinden. Und auch die Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz wurde abgesagt.
Davon betroffen ist die Habegger AG, welche am Grossanlass zuständig gewesen wäre als technischer Generalunternehmer. Die Regensdorfer Firma inszeniert Veranstaltungen jeglicher Art. Der ganze Live-Eventteil ist aber nach wie vor tot. «Hingegen läuft im Digitalbereich extrem viel», sagt CEO Jürg Schwarz.
Zwar könne dieser nur einen kleinen Teil der Live-Events kompensieren, allerdings revolutioniere er die ganze Branche, überhaupt das Denken und Handeln der Menschen. «Es hat sich ein Kommunikationsstau gebildet», so Schwarz. Denn einen Event auf den Bildschirm zu holen, sei einfacher gesagt als getan. «Bei uns sind täglich dutzende Fragen zu diesem Thema eingegangen.» Welche Arten digitaler Events gibt es überhaupt? Wo sind ihre Grenzen gesetzt? Was gilt es zu beachten betreffend Dramaturgie, Interaktion, Inhalt oder Sicherheit? Diese und weitere Fragen hat Habegger in einer ersten Online-Schulung beantwortet, welche im vergangenen November stattgefunden hat. «Wir haben die bereits bestehende Plattform Habegger Academy umfunktioniert, um mittels eins kostenlosen Webinars die ‹Hot Topics› zu bedienen», erzählt der Geschäftsführer.
480 Live-Zuschauende
Letzte Woche ging es in die zweite Runde. «Heute sprechen wir über das Thema, das viele von euch brennend interessiert: Plattformen», sagte Moderator Samuel Röthlisberger, Director of Creation, in eine der drei Kameras im Studio 2 an der Riedthofstrasse 124 im Regensdorfer Industriegebiet und begrüsste zusammen mit seiner Kollegin Sandhya Mirajkar, Creation Consultant, gleichzeitig 480 Zuschauerinnen und Zuschauer aus aller Welt, welche an der digitalen Schulung teilnahmen. Nicht zu sehen waren die vielen weiteren involvierten Personen im Hintergrund: Projektleiter, Kameramann, Regie, Ablauf- und Kameraregisseur – rund 20 Leute waren an der Umsetzungbeteiligt. «Natürlich könnten wir auch eine One-Man-Show machen», sagt Schwarz. «Das ist aber nicht unser Anspruch, weil wir das nächste Level und die Möglichkeiten von digitalen Events zeigen wollen.» 45 Minuten dauerte das Webinar, in welchem Samuel Röthlisberger und Sandhya Mirajkar einen Überblick über die verschiedenen Produkte und Anbieter verschafften, aufzeigten, welche Plattform sich für welchen Event eignet, und wie tief man dafür in die Tasche greifen muss. Die beiden redeten nicht nur über das Thema, sondern demonstrierten die Anwendungen live. Auch an Interviews mit Experten fehlte es am Mittwochnachmittag nicht. Im Anschluss fand – anders als bei der Premiere im November – eine Zoom-Session statt, in welcher bilaterale Gespräche zwischen den Teilnehmenden und den Experten stattfanden. «Wir wollten ein Hochschaukeln von Know-how erzeugen», erklärt Jürg Schwarz, der selbst auch in einem Nebenraum sass, um Fragen zu beantworten, die während des Webinars schriftlich eingingen. Während im November die Anzahl der Firmenkunden bei rund 40 bis 50 Prozent lag, seien es letzte Woche rund 15 Prozent mehr gewesen. «Wir merken also, dass der Bedarf an digitalen Events grösser wird und die Komplexität zugenommen hat.»
Räumlichkeiten umgebaut
Anstatt die Beine hochzulagern und 100 Prozent Kurzarbeit zu beantragen, hat die Habegger AG den neuen Bereich «Digitale Events» entsprechend stark ausgebaut. Sie hat ihre Räumlichkeiten umgestaltet, die Lagerräume zu Studios umfunktioniert. In einem solchen wurde jüngst der Unternehmerkongress der Credit Suisse produziert. Weiter habe man laut Schwarz mit vielen Lieferanten und Anbietern das Wissen ausgebaut und intern die Mitarbeitenden geschult. «Geht nicht, gibt es nicht – so lautet unsere Einstellung», erzählt der CEO. «Wir haben ein Team aufgebaut, das die Entwicklung im Digitalbereich vorantreibt.» So habe man den Schaden in Grenzen halten können. Und trotzdem: «Im Jahr 2020 haben wir 60 Prozent des Umsatzes verloren», gesteht der Geschäftsführer. Gerade zu Beginn, im Februar letzten Jahres, sei es extrem hart gewesen. Im Stundentakt seien Absagen reingekommen. Und auch für das laufende Jahr sieht es nicht besonders rosig aus.
Kurzarbeit nur theoretisch gut
Auch wenn die Fallzahlen sinken, dauert es laut Schwarz mindestens ein halbes Jahr, bis Veranstaltungen wieder stattfinden. «Wir können voraussichtlich bis September 2021 auf Kurzarbeit sein, müssen diese aber alle drei Monate neu beantragen.» Ohne Kurzarbeit käme es in der Veranstaltungsbranche zu Massenentlassungen. Bei der Habegger AG war dies bislang nicht der Fall, die Kurzarbeitsquote liegt zwischen 35 und 40 Prozent. «Das klingt theoretisch gut. Praktisch aber fliesst nach wie vor kein Geld.» Dennoch sei es der Veranstaltungsfirma wichtig, die Zukunft zu gestalten. Deshalb ist man bereits in der Planung für das nächste Webinar. Am 30. März stehen «Hybride Events» im Zentrum. Ein hybrider Event verbindet die Vorteile aus der digitalen und der realen Welt. Sprich: Ein Teil der Zuschauer kann live vor Ort der Veranstaltung beiwohnen, der andere Teil verfolgt ihn digital. Das hat nicht nur für das Publikum Vorteile, sondern auch für den Veranstalter, wie Schwarz erklärt. Denn: «In der aktuellen Zeit bringt der hybride Event Planungssicherheit zurück.»