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Eventpsychologie in der Live-Kommunikation

Habegger | 8. März 2023

Freude, Begeisterung oder Hühnerhaut – das sind Gefühle, die ein Event hervorrufen kann. Doch, wie entstehen diese Gefühle? Wir haben Steffen Ronft, Spezialist für Eventpsychologie, im Rahmen unserer vierteiligen Reihe «Eventerlebnis: Manipulation der Emotionen?» getroffen und er lässt uns tief in die Seele eines Eventerlebnisses blicken.

Wie erzeugt man auf einem Event Hühnerhaut bei einem Menschen?

Steffen Ronft: Dass Menschen Hühnerhaut bekommen, kann auf zwei Arten passieren. Einerseits, wenn die Erwartungen übertroffen werden und die Eventteilnehmer positiv mit Ereignissen überrascht werden. Anderseits können Menschen durch ein Gruppenerlebnis begeistert werden. Denn: Wir alle haben das Bedürfnis nach dem Zugehörigkeitsgefühl. Dies kann sowohl durch grosse Menschenmengen im Fussballstadion wie auch bei einem Konzert ausgelöst werden. Beim Umherschauen erkennt der Mensch durch sogenannte Spiegelneuronen, dass alle die gleichen Emotionen fühlen. Aber auch bei kleinen Gruppen von 4-5 Personen, kann ebenfalls solch ein «Aha»-Moment generiert werden. An Silvester, wenn der Countdown runtergezählt wird oder wenn am WM-Spiel das entscheidende Tor geschossen wurde, fühlt man – auch wenn man vielleicht das Spiel nur vor dem TV verfolgt – die Euphorie mit.

Dies sind Momente, die unvergessen sind und immer wieder Hühnerhaut auslösen.

Das gleiche gilt für emotionale Negativmomente. Jeder weiss, wo er in dem Augenblick war, als die Terroranschläge 9/11 in NYC stattfanden.

Steffen, wo sitzen Emotionen? Was macht das Gehirn, dass wir Emotionen spüren?

Quelle: Ronft

Die Neurologie erklärt, dass das limbische System für die Emotionen verantwortlich ist. In der Gehirnregion werden unzählige Hormone produziert, die uns Signale ausstrahlen. Diese empfinden wir als Emotionen. Das Geruchsempfinden ist zum Beispiel direkt mit dem Gehirn und dem Emotionszentrum verknüpft, wodurch jeder eine direkte Wahrnehmung spürt. Der Mensch besitzt von Natur aus gewisse Sinne. Bei der Geruchswahrnehmung eines Feuers wird uns Gefahr signalisiert, man beginnt zu schwitzen, schärft seine Sinne auf Geräusche und verspürt Adrenalin.

Wie kann man dieses Wissen für Events nutzen?

Um gewisse Emotionen bei der Zielgruppe auszulösen, können verschiedene Mittel eingesetzt werden. Vorab muss der Gastgeber aber definieren, welcher Eindruck bei der Gruppe hinterlassen werden soll. Für gewisse Emotionen werden Menschen mit multisensorischen Wahrnehmungen in Berührung gebracht: die fünf Sinne. Die Informationen, die über die fünf Sinne eingehen, müssen kongruent sein. Bestes Beispiel ein Dessert-Buffet: Riecht es noch nach der Käsepizza vom Lunch, wird sich kaum einer bedienen. Die visuelle- und Geruchswahrnehmung sollten übereinstimmen. Es können jedoch Mittel angewendet werden, wie mit der Beleuchtung, um mit dem Geruch oder dem Temperaturempfinden zu spielen, auch kann die Ausstattung eine Rolle spielen, um Menschen in ihren fünf Sinnen zu beeinflussen.

Hand aufs Herz: Das klingt doch sehr nach Manipulation.

Gewisse Wahrnehmungen können bei Menschen in der Tat von aussen leicht manipuliert werden. Menschen fühlen sich beispielsweise in einer gewissen Wärme wohl, der Oxytocin-Spiegel (Kuschelhormon) wird erhöht – ähnlich wie bei der Mutter-Kind-Bindung. Dieses Hormon könnte theoretisch sogar synthetisch hergestellt und versprüht werden. Der Mensch nimmt dies über die Nasenschleimhaut auf und kann sich somit in einem Ambiente vertrauter und wohler fühlen.

Was ist die wichtigste Voraussetzung, damit der gewünschte emotionale Effekt erzielt werden kann?

Das A und O ist die Zielgruppe: Für den Event wurde eine Menschenmenge selektiert, die sich Zeit für den Anlass nimmt. Somit freuen sie sich bereits auf den Event. Würde man Menschen willkürlich zusammenbringen, wären die Reaktionen zu einem Event vielleicht ganz unterschiedlich. Um ein emotionales Erlebnis für die Gäste zu schaffen, müssen die Erwartungen übertroffen werden. Dies beginnt schon mit der Einladung und Pre-Kommunikation – es sollte jedoch Luft nach oben bleiben, für den Überraschungseffekt.

Die Informationen, die über die fünf Sinne eingehen, müssen kongruent sein.

Wie schaffe ich damit ein nachhaltiges Eventerlebnis?

Für nachhaltige Emotionen sind mehrere Gehirnregionen verantwortlich. Der Thalamus entscheidet, was ins Bewusstsein kommt. Als Veranstalter müssen Informationen geliefert werden, die so eine hohe Relevanz haben, dass diese bewusst wahrgenommen werden. Der Hippocampus dagegen entscheidet, wie relevant das «bewusste» Ereignis ist und schick es ins Lang- oder Kurzeitgedächtnis.

Für die Eventbrache spielt das episodische Gedächtnis eine wichtige Rolle. Dort sind die Erlebnisse mit den Sinneswahrnehmungen gespeichert. Von dort aus werden die meisten Momente weitererzählt samt den Emotionen.

Welche Emotionen sind für einen erfolgreichen Event relevant?

Das ist ganz einfach gesagt: Der Kontext definiert ein erfolgreiches Eventerlebnis. Bei einem Workshop sollen die Teilnehmenden konzentriert mitarbeiten können und durch Interesse und Neugier Neues erlernen. Bei einem Hard-Rock-Konzert benötigt es hingegen mehr Adrenalin und es ist ein vom Alltag ausbrechendes immersives Erlebnis gefragt.

Was muss getan werden, damit auf keinen Fall ein negatives Erlebnis entsteht?

Es gibt keine klaren «Don’t do it»-Regeln. Menschen sind enttäuscht, wenn sie etwas ganz anderes erwartet haben als das gebotene Erlebnis. Oftmals liegt das Problem dabei in der Kommunikation, wenn die Informationen an den Gast inkongruent übermittelt werden. Denn eine kongruente Wahrnehmung der Ziele und Inhalte des Events, sind auch in der Pre- und Post-Phase für das Eventerlebnis von Bedeutung. Ebenso wenn die Mindesterwartungen nicht erfüllt werden, liegt eine grosse Enttäuschung vor. Im Nachgang wird die Veranstaltung dann als verschwendete Zeit betrachtet.

Wer ist Steffen Ronft?

Quelle: Wachenfeld

Der Hochschuldozent und Experte für Eventpsychologie forscht seit über zehn Jahren in den Bereichen Wahrnehmungspsychologie und Messe-, Kongress- und Eventmanagement. Primär beschäftigt sich Steffen damit, wie Events aus psychologischer Sicht optimiert werden können. Er gilt als Wegbereiter auf dem interdisziplinären Feld der Eventpsychologie und vertritt diese Perspektive auch international als Jury-Mitglied bei den EVENTEX Awards. Darüber hinaus ist er Herausgeber des Standardwerks der Publikation «Eventpsychologie – Veranstaltungen wirksam optimieren», Berater und Speaker. Steffen ist auch zu Gast bei verschiedenen Podcasts der MICE Branche wie Grenzenloses Eventdesign oder Events im Wandel.

Eventerlebnis: Manipulation der Emotionen?

Weitere spannende Beiträge mit Insights und persönlichen Statements zum ultimativen Eventerlebnis mit Tanja Ljeljen, Projektleiterin Live Marketing bei der ZKB, Dennis Cassina, Kommunikationsberater Live Communication der SUVA sowie mit unseren Habegger-Experten.

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